Mehr Ehrlichkeit in der Klimadebatte!
Offenheit ist im Klimadiskurs kaum möglich. Zu viel steht auf dem Spiel. Der Streit zwischen “Zeit online” und dem Blog “Die kalte Sonne” wirft ein bezeichnendes Licht auf die Debatte.
Kein ernst zunehmender Teilnehmer am Klimadiskurs bezweifelt, dass in der dazugehörenden Forschung mehr Fragen offen sind als geklärt: Die Mechanismen, die in der Erdgeschichte und auch im vergangenen Jahrtausend für ein heftiges Auf und Ab der globalen Temperatur sorgten, das Zusammenspiel der „chaotischen“ Kräfte, die im 20. Jahrhundert bis in die 90er Jahre unterm Strich eine Erwärmung um etwa 0,6 Grad Celsius bewirkten, besonders auch die Modellrechnungen, die Auskunft über die weitere Entwicklung geben sollen. Bei all dem überwiegt die Unsicherheit um ein Vielfaches die vermeintlichen Sicherheiten. Darüber besteht Einigkeit. Auch wenn oftmals der Eindruck durchschimmert, der Täter für alles sei gefasst, nämlich das Kohlendioxid (dies übrigens in der Presse weit häufiger als in der einschlägigen Fachliteratur).
Insbesondere beim Einfluss der Sonne haben Forscher in den letzten zwei, drei Jahre auf viele Ungeklärtheiten hingewiesen, in unzähligen anerkannten Fachartikeln („peer reviewed“). Andererseits wird hierbei der Zusammenhang der Sonnenaktivität mit der Wolkenbildung und dem daraus erfolgenden Auf und Ab der Temperatur immer deutlicher. Die „Korrelationen“ sind inzwischen unübersehbar.
Die Forschung lebt also. Eine erfreuliche Erkenntnis. Eigentlich. Wären doch nur die Forscher unter sich, in Klausur abseits der Politik, abseits der in dieser Frage so aufgeheizten Öffentlichkeit. Sie könnten…
…und würden wohl auch sich trefflich gegenseitig in ihrem Erkenntnisinteresse befruchten.
Das Problem beginnt nämlich erst dann, wenn die Debatte die Sphäre der Medien erreicht. Dort hat die Energiewende inzwischen die Macht des Faktischen übernommen, am Bekenntnis dazu samt der dazugehörigen einseitigen Schuldzuweisung an das menschengemachte Kohlendioxid (CO2) kommt jedenfalls hierzulande niemand vorbei, der etwas werden oder bleiben will. Der gute Ton über die gute Sache ist Pflicht für jeden, der mit Zeitungen Auflage schaffen, der in der Politik Wählerstimmen sammeln, der in der Wissenschaft Fördergelder erheischen will.
Und so passiert es regelmäßig, dass auch Klimaforscher, die in ihrer Arbeit die Pflicht zur Skepsis, Hinterfragung und Kritik auch gegenüber heiligen Kühen nicht vergessen, in der populär-medialen Öffentlichkeit ganz anders klingen. Ein gutes Beispiel, für jeden nachvollziehbar, bietet derzeit eine Auseinandersetzung zwischen „Zeit-Online“ und dem Klima-Blog „Die kalte Sonne“, betrieben vom Hamburger Umweltsenator und späteren Windkraft-Manager Fritz Vahrenholt sowie Sebastian Lüning. „Die Kalte Sonne“ – so lautet auch der Titel eines kürzlich erschienenen lesenswerten Buches, in dem Vahrenholt und Lüning die wichtigsten Forschungsergebnisse über den Einfluss des Zentralgestirns auf den Klimawandel bündelte. Er scheint deutlich größer zu sein als etwa der Weltklimarat IPCC anerkennen will.
In dem Buch berufen sich die Autoren auf eine Reihe interessanter, auch jüngerer Forschungsergebnisse. Resume der beiden Autoren: Statt heute einseitig in Deutschland die Komplettumstellung auf erneuerbare Energien zum Schaden der Volkswirtschaft übers Knie zu brechen, sollte mehr Zeit für Vernunft, Augenmaß, Forschung und Entwicklung sein. Den Einfluss des CO2 streiten sie keineswegs ab.
Dennoch war damit für die Wächter der herrschenden Meinung eine entscheidende Schwelle überschritten. Angesichts des derzeit aufgeheizten Diskurses fiel es denn auch einem Journalisten, der auch für das Greenpeace-Magazin tätig ist, nicht schwer, für Zeit-Online Stimmen der in jenem Buch zitierten Forscher zu sammeln, die sich nun – wie zu erwarten – öffentlich von „Die kalte Sonne“ distanzierten, abschwörten, und ihre eigenen Forschungsergebnisse über Gebühr relativierten. Die Autoren von „Die kalte Sonne“ antworteten postwendend, ausführlich – und verwundert. Freunde werden die zitierten Wissenschaftler und „Die kalte Sonne“ gewiss nicht mehr, dafür ist die Situation für Erstere einfach zu heikel.
Man ist geneigt, Verständnis aufzubringen für die Bredouille der kritischen Forscher. Wer verfolgt, wie lange Jahre es zum Beispiel gedauert hat, bis das Forschungsvorhaben CLOUD am Teilchenbeschleuniger CERN bei Genf, mit dem der Einfluss des Sonnenwindes auf die Wolkenbildung und das Klima bewilligt wurde, wer lesen musste, dass der CERN-Chef Rolf-Dieter Heuer den Forschern nach ihrem Aufsehen erregenden Zwischenergebnis verbot, ihre kritischen Daten öffentlich zu interpretieren – der mag ahnen, was für Wissenschaftler, die nicht ständig neue Weltuntergangsstimmung erzeugen und die nicht die Notwendigkeit zur noch hektischeren Energiewende stützen, auf dem Spiel steht. Renommierte kritische Klimaforscher einer Bundesanstalt in Hannover wurden kurzerhand kaltgestellt. Ähnliche Beispiele gibt es mehr als genug.
Falsche Freunde können die Karriere gefährden. Wer mit einzelnen Forschern spricht, hört viel von Unsicherheiten und Ungeklärtheiten, was den Einfluss von CO2 wie auch der Sonne angeht. Öffentlich hört sich das bisweilen dann ganz anders an. Darin unterscheidet sich die Wissenschaft nicht wesentlich vom politischen Raum. Gern laden einzelne, auch namhafte Politiker kritische Klimaforscher zum Dialog. Dringt dies an die Öffentlichkeit, hagelt es parlamentarische Anfragen, despektierliche Zeitungsartikel.
Ein offener Diskurs geht anders.